- Margarita und Winfried Arenhövel
- Mirko Finzsch
- Petra Linke
- Matthias Grünert
- Roland Gräfe und Sabine Weber
Margarita und Winfried Arenhövel
Margarita und Winfried Arenhövel
Hoher Platz 3
07973 Greiz
Offener Brief
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
„Wir Menschen der ehemaligen DDR haben andere Erfahrungen gemacht und andere Verhaltensweisen entwickelt… Lassen wir uns zwingen in ein konsumorientiertes materialistisch ausgerichtetes System, das Profitstreben höher stellt als Persönlichkeitsentfaltung?“
Mit diesem Zitat meiner Rede zum Tag der Einheit in der Greizer Stadtkirche am 3. Oktober 1990 (die Deutschland weit Beachtung fand und in zwei Publikationen veröffentlicht wurde), wenden meine Frau und ich uns in großer Sorge an Sie als Bürgermeister unserer Stadt. Seit 1974 ist Greiz uns Heimat geworden, und meine verschiedenen Buchveröffentlichungen über Greiz sowie unser beider Engagement in verschiedensten Gruppen beweisen wohl, daß uns die Stadt nicht gleichgültig ist.
Mit Bedrückung und Sorge verfolgen wir den verständlichen Unmut, der sich in unserer Stadt mit dem geplanten Einkaufscenter am Marstall ausbreitet und der die berechtigten Sorgen eines Großteils unserer Bevölkerung widerspiegelt. Freunde und Bekannte zeigen deutlich ihr Unverständnis und ihren Unmut über das Marstall-Projekt. Die Stimmung ist aufgeheizt. Noch nie haben wir so viele das Projekt ablehnende Einwohner unserer Stadt erlebt. Auch wir sehen ein solch geplantes Einkaufszentrum an diesem neuralgischen Punkt, es ist immerhin die Zufahrt zum Greizer Krankenhaus, ein Marstall-Center, das mehrere Supermärkte zusammenbringen will, als eine große Gefahr an. Von der ästhetischen Ohrfeige für das viel gelobte und beschriebene Greizer Altstadtbild ganz zu schweigen. Der bisherige dezentrale Standort solch großer Supermärkte wie ALDI, REWE und andere ist, unserer Meinung und der Meinung sehr vieler Greizer Bürger nach, in jedem Fall die bessere Lösung, von der Zerstörung des eindrucksvollen Stadtbildes der in Jahrhunderten gewachsenen Altstadt Greiz ganz zu schweigen.
Sie wissen sicher aufgrund unseres Engagements für unsere Stadt (mehrfache Viola Nahmmacher, Buchveröffentlichungen über Greiz, Kirchenchor, Frauen- und Bastelkreis in der katholischen Kirche etc.), daß uns die Stadt Greiz sehr am Herzen liegt.
Gerade deshalb wenden wir uns mit großer Sorge an Sie.
Die für Sie sicher sehr überraschenden Reaktionen eines Großteiles der Greizer Bevölkerung bitten wir nachdrücklich sehr Ernst zu nehmen. Das Gemeinwohl der Stadt sollte in jedem Fall im Vordergrund stehen, es darf nicht der Profitgier irgendwelcher Marktketten zum Opfer fallen. Falls Sie und ihr Stadtrat doch an einem solchen Super-Markt-Plan festhalten möchten, sollte nach unserer Meinung überlegt werden, das Gebiet gegenüber der Post (ehemals Thüringer Hof und anliegende Gebäude) für ein solches Unternehmen zu nutzen. Damit könnte gleich die etwas brachliegende Greizer Neustadt aufgewertet und die dortigen Einwohner mit ins Boot geholt werden.
Gestatten Sie uns eine persönliche Anmerkung: Als Anwohner auf dem Hohen Platz, auf dem wir 2001 ein total herunter gekommenes Haus erwarben und dieses durch den Greizer Architekten Mathias Hamann mit Unterstützung der Stadt Greiz zu neuem Leben erwecken konnten, sind wir zusätzlich mit allen unseren Mitbewohnern den ruhigen Wohnplatz gewöhnt, der uns damals Anlaß war, eine so abenteuerliche Initiative Hausaus- bzw. Neubar in Angriff zu nehmen.
Ich darf noch einmal aus meiner Rede zum 3. Oktober 1990 zitieren:
„Ich wünsche mir eine Stadt, die ihren Gästen zur Stätte froher Begegnung wird, ihren Einwohnern aber zu dem Lebensraum, in dem leben uns dich zu Hause fühlen kann.“ (Winfried Arenhövel in: Weilheimer Hefte zur Literatur, Heft 29, Seite 30/31, „Zum 3. Oktober 1990)
Wir setzen unsere Hoffnung auf Sie, verehrter Herr Bürgermeister, zusammen mit ihren Stadträten das Vorhaben noch einmal sehr gewissenhaft zu überprüfen und hoffentlich, viele, viele Argumente sprechen dagegen, wie auch die zahllosen, ernst zu nehmenden Leserzuschriften beweisen, von diesem Projekt an dieser neuralgischen Stelle der Stadt Abstand zu nehmen.
Wir bitten Sie sehr herzlich, den Inhalt dieses Briefes den Greizer Stadträten zukommen zu lassen.
Mit herzlichem Gruß
Margarita und Winfried Arenhövel
Greiz, am 6. März 2021
Mirko Finzsch
Dipl. Rest. (FH) Mirko Finzsch
Freiberuflicher Restaurator
Saaleck
Am Burgberg 09
06628 Naumburg / Saale
Bauvorhaben am Marstall-Areal
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit über zehn Jahren bin ich immer wieder als Restaurator in der Stadt Greiz tätig und erfreue mich dabei stets am außergewöhnlichen Stadtbild und der wunderbaren Denkmallandschaft. Mit großer Hochachtung und Bewunderung betrachte ich die Bemühungen der Einwohnerschaft, Verwaltung und Privatwirtschaft um den Erhalt, die Vitalisierung und die Pflege dieser hervorragenden Beispiele der Baukunst.
Gerade die offensichtliche Diskrepanz zwischen einem enormen Denkmalbestand und einer prekären Finanzlage der Gemeinde lässt mich diese Leistungen besonders achten. Mit großen Hoffnungen denke ich dabei an die Zukunft Ihrer Stadt, da hier offenbar von zahlreichen Beteiligten einer langfristigen Sicht auf die Vorteile eines kulturell herausragenden Stadtbildes der Vorzug vor Quartalsgewinnen gegeben wird. Diese Entwicklung fortzuschreiben, könnte der Stadt Greiz eine echte Chance auf eine herausgehobene Stellung in der reichhaltigen thüringischen Denkmallandschaft bieten.
Der nunmehr vorliegende Plan zur Bebauung des Marstall-Geländes droht jedoch all diese Bemühungen der letzten Jahrzehnte gründlich zu konterkarieren.
Die Haltlosigkeit der in den Planungsunterlagen aufgestellten Behauptungen
- zur angeblichen Belebung der Innenstadt,
- zu den angeblich kaum spürbaren Zusatzbelastungen für die Anwohner
- und zu dem, in einem veralteten Gutachten herbeigeredeten Bedarf an noch mehr
Discounter – Filialen
ist in zahlreichen Stellungnahmen bereits besprochen worden.
Denn das Gegenteil ist der Fall:
Verstärkt durch die aktuelle Krise findet gerade vielerorts ein erstes Umdenken statt, wonach eine größere Diversität und ein stärkerer lokaler und regionaler Bezug bei der Grundversorgung eine wachsende Gewichtung erhalten sollen, um den dringend gebotenen ökologischen und ökonomischen Umbau der westlichen postindustriellen Gesellschaften voranzutreiben.
Eine Ansiedlung von Filialgeschäften, die fast ausschließlich Industrieware anbieten (und dies vor allem im Bereich des täglichen Bedarfs) steht dieser Entwicklung geradewegs entgegen.
Kleine Einzelhändler, die in der innerstädtischen Bausubstanz hervorragende Bedingungen finden und mit ihrer Angebotspalette den genannten Bedarf decken könnten, sollten gefördert werden, dies wäre eine sinnvolle Investition in die Zukunft einer Innenstadt. Das Konzept großflächiger Einkaufszentren wirkt unter diesem Gesichtspunkt vorgestrig und lernresistent gegenüber den Fehlentwicklungen vergangener Jahrzehnte.
Doch jenseits dieser wirtschaftlichen Betrachtungen sind erhebliche ästhetische Bedenken gegen das Projekt anzumelden:
Ein Entwurf, der in seiner inhaltslosen Beliebigkeit die Entfremdung der Bevölkerung von ihrer Stadt und die Gefühle von Macht- und Einflusslosigkeit nur befördern kann, ist letztlich Wasser auf die Mühlen derer, die mit diesen negativen Gefühlen gerade in unserer Zeit (und sehr massiv in der Region Ostthüringen und Westsachsen) versuchen, Politik zu machen.
Mit anderen Worten: Solche Hässlichkeit im Stadtbild kann auch nur das Hässliche
in den Menschen hervorbringen.
Lediglich zur Wahl des Namens für dieses Projekt muss ich den Kreativen gratulieren: dem Namen „Marstall – Center“ wohnt exakt die gleiche Phantasie- und Seelenlosigkeit wie auch ein ebensolches Maß an Zynismus inne, wie es der aktuelle Entwurf zum Ausdruck bringt. Ein weiteres „Xbeliebiges-Center“ erscheint mir ebenso einfallslos wie die banale Architektur. Den Begriff “Marstall“ dafür zu missbrauchen spiegelt genau jene Geisteshaltung wieder, die die historische Bausubstanz zum einen Teil zerstören und zum anderen bis zur Unkenntlichkeit verbauen will und dann noch beansprucht, den Denkmalschutz zu achten.
Daher bitte ich Sie dringend von dieser Planung Abstand zu nehmen und kann auch von der Suche nach einem Kompromiss mit dem Investor nur abraten, denn wer einen solch dreisten, die Gegebenheiten der Stadt vollständig ignorierenden Entwurf vorlegt, dürfte sich kaum für das Wohl der Stadt interessieren, und dies dürfte kaum eine wünschenswerte Basis für eine längerfristige Zusammenarbeit darstellen.
Eine künftige Bebauung des Geländes ist sicher sinnvoll und wünschenswert, doch müsste dies mit einer ernsthaften Einbeziehung der historischen Gegebenheiten, der zukünftigen Nutzer und der gesamten Bürgerschaft geschehen. Eine öffentliche Sammlung von Meinungen und Ideen könnte hierzu ein erster Schritt sein, ein vorhandenes Interesse bei der Bevölkerung kann wohl inzwischen als erwiesen gelten.
In der Hoffnung auf eine Entscheidung gegen das aktuelle Projekt und eine Planung, die der Stadt Greiz mit all ihren Vorzügen gerecht wird, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Mirko Finzsch
Saaleck, den 07.02.2021
Petra Linke
Dr. med. Petra Linke
Gartenweg 2
076973 Greiz
Bebauungsplan Marstall-Revier
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
Sehr geehrte Mitglieder/innen des Stadtrates,
als mündige Greizer Bürgerin wende ich mich heute in dieser Form an Sie im Namen vieler Freunde und Bekannten, denen unsere Heimatstadt am Herzen liegt.
Wir empfinden diesen Bebauungsplan erschreckend, er stellt einen Stilbruch ohnegleichen dar. In einer Stadt, die sich „Fürstliche Residenzstadt“ nennt, mit einem „Fürstlich Greizer Park“, ein solch brutalistisches und dazu völlig unsinniges Bauwerk in der Altstadt errichten zu wollen, macht uns einfach sprachlos.
Die Tatsache, für Greiz wiedermal einen „Investor gefunden“ zu haben, der sich bei uns austoben möchte, scheint jeglichen Sinn für Ästhetik und jede wirtschaftliche Vernunft außer Kraft gesetzt zu haben. Die Bevölkerung schrumpft und soll nichts anderes als konsumieren, konsumieren, konsumieren!
Danke! Wir sind mit Lebensmittelmärkten bestens versorgt, Drogerie-Artikel gibt es auch überall und der Lidl- Markt wird aktuell vergrößert.
Erhebt sich die Frage, wozu das Marstall-Gelände überhaupt bebaut werden muss, wo doch die Verkehrslage in dieser Stadtlage schon am Limit ist! Eine Begrünung der Fläche würde dagegen der Stadt sicher guttun und eine angemessene Atmosphäre zwischen den Gebäuden im klassizistischen-, Jugendstil und Gründerzeitstil abrunden.
Kommt man über die Schlossbrücke Richtung Rathenauplatz und sieht über dem Marstallgelände die Bauten der Cloß- und Heynestraße bis hin zum Trompeterschlößchen und der Blick würde versperrt durch ein Beton-Monster, dann würde ich mich schämen vor allen Gästen, die unsere Stadt in Zukunft besuchen würden. Die kommen dann wohl eher nie wieder her.
Ich appelliere daher an Ihr ästhetisches Empfinden und Ihre Vernunft, es nicht so weit kommen zu lassen.
Eine Kopie meines Briefes werde ich an die OTZ weiterleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr.med. Petra Linke
Greiz, 28.01.2021
Matthias Grünert
Matthias Grünert
Georg-Treu-Platz 3
01067 Dresden
Bauvorhaben am Marstall-Center
Als ehemaliger Bürger der Stadt Greiz, der seine Lebenszeit dort sehr genossen hat, melde ich mich in diesen Tagen zu Wort: Verehrter Stadtrat, geschätzte Entscheidungsträger, die Sie das Wohl Ihrer liebenswerten Stadt im Blick haben: Sie garnieren mit dem Motto „fürstlich vogtländisch“ das Label der Stadt in Ihren Veröffentlichungen. Sehr geehrter Herr Bürgermeister Alexander Schulze, Sie werben mit dem Slogan: „Greiz kann mehr.“ Ja, in der Tat, ganz genauso so ist es und ich trage Greiz tief im Herzen. Viele Besucher sind verzaubert von den architektonischen Besonderheiten, von der illustren Vergangenheit, von der poetischen Atmosphäre und von den kulturellen Kleinodien dieser idyllisch gelegenen Residenzstadt. Und die Menschen, die in der schönsten Stadt des Vogtlands wohnen, lieben wohl ebenso ihre Heimat. Greiz ist im allerbesten Sinne beschaulich, erholsam, einzigartig, besonders und aus einer anderen Welt! Das sind die Stärken der einstigen Fürstenresidenz, die mich als 26jährigen Greizer Stadtkantor faszinierten. Ich wurde in all meinen Dresdner Jahren nicht müde, meine Liebeserklärung an die Stadt Greiz zu formulieren. Und aber: Ein Stadtentwicklungskonzept muss und sollte diese Faktoren doch konsequent vorantreiben! In Ihrem jüngsten Stadtratsbeschluss nun wurde erst einmal festgelegt, dass ein Einkaufscenter – der Entwurf nennt es Marstall-Center, m. E. ein grauenhaftes Wort – entstehen darf, das die historischen Bestände des ehemaligen Marstalls einbetoniert und einschlägige Discounter beherbergen soll, die ohnehin einige wenige hundert Meter weiter entfernt in ähnlicher Form mit einem großen Sortiment aufwarten. Und dieses neu entstehende Einkaufscenter soll nur einen Steinwurf entfernt von einem der bedeutendsten klassizistischen Gebäude Ensembles Deutschlands (bestehend aus Stadtkirche und Schloss, samt malerischer Innenstadtbebauung und erholsamer Parkflächen) gebaut werden!
Einer billigen Visitenkarte gleich, für alle Besucher und Einwohner dieser Stadt auffällig sichtbar, am Rande der verkehrsberuhigten Innenstadt (Fußgängerzone inklusive) wurde nun dem Konzept eines Investors stattgegeben, welches man heute schon als eine Bausünde der frühen 90er Jahre bewerten würde. Getreu dem Motto: Günstig einkaufen geht immer, Kultur adieu? Sicher hat ein Investor großes Interesse an einer möglichst attraktiven Rendite, doch geht das auch auf andere Weise. Gerade in einer Innenstadt, die nicht zum Gewerbegebiet werden sollte? Schon gar nicht in Greiz! Ich bitte Sie, verehrter Stadtrat, um eine Verhinderung des Vorhabens in dieser Form, zumal viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt Greiz dem Projekt in vorgenannter Planung ablehnend gegenüber stehen und sich in einer Petition dagegen aussprechen. Weshalb denken Sie nicht über eine nachhaltige und tatsächlich attraktive Nutzung des Areals nach und fordern diese ein? Erhaltung historischer Bausubstanz, stilgerechte Ergänzungen, Nutzung durch vielfältige Angebote: Cafés, Restaurants, Manufakturen, kulturelle Begegnungsstätten, individuelle Wohnungen, Begegnungsräume oder Geschäfte mit einem profilierten Sortiment beispielsweise u.v.m. Welch einmaliges Eingangstor zur Innenstadt ein solches Konzept abbildete! Dann behält Greiz seinen Reiz und lockt vielleicht einige Neugierige mehr aus nah und fern an. Discounter vermögen dies ganz bestimmt nicht!
Alles Gute für die Perle des Vogtlands, bitte handeln Sie besonnen! Das wünsche ich von Herzen und spreche mit meinem Herzensanliegen vor allem auch als Kurator der Gesellschaft Historischer Neumarkt Dresden e.V. zu Ihnen.
Mit freundlichen Grüßen
Matthias Grünert
Dresden, 26.01.21
Roland Gräfe und Sabine Weber
Sabine Weber
Duckwitzstraße 24b
01129 Dresden
Roland Gräfe
Lößnitzgrundstr. 13
01445 Radebeul
PROTEST GEGEN DEN AKTUELLEN ENTWURF ZUM MARSTALL-CENTER GREIZ
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren des Stadtrates, sehr geehrte Frau Landrätin, sehr geehrter Herr Metzner, sehr geehrter Herr Obenauf, sehr geehrte Damen und Herren der OTZ,
mit Entsetzen haben wir im Städtischen Amtsblatt den Entwurf zur Bebauung zwischen
Marstall-, Thomas-, Mollberg-, Breuningstraße und Dr.-Rathenau-Platz, dem sogenannten Marstall-Center gesehen. Auch wenn noch ein qualifizierter B-Plan erstellt werden soll, scheinen sowohl die Baumassen, Gestaltung und Nutzung festzustehen.
Dagegen möchten wir hiermit protestieren.
Es ist für uns unglaublich, dass 30 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch
Gemeinden auf solche überdimensionierten Projekte von sogenannten Investoren
hereinfallen. Hat Greiz nicht schon genug solcher Nachwende-Fehlentwicklungen erlebt? Weder das Kaufland-Einkaufszentrum noch das Spectrum-Center sind eine Bereicherung für die Einkaufskultur der Stadt Greiz noch für deren architektonisches Erscheinungsbild.
In der Innenstadt stehen Läden leer, ehemalige Kaufhäuser wurden umgenutzt oder führen ein Schattendasein, wie das Gebäude mit dem „DuK, dem unmöglichen Kaufhaus“, in dem z.B. ein Shop-in-Shop-System sehr gut möglich wäre und wirklich zur Belebung der Innenstadt beitragen könnte. Uns ist es bewusst, dass sich diese Objekte in Privatbesitz befinden, mit einem B-Plan oder der Festlegung eines Sanierungsgebietes könnten städtebauliche Entwicklungen und Nutzungen jedoch geregelt bzw. gefördert werden.
Gerade beginnt sich aus unserer Sicht ein vorsichtiges Innenstadtleben zu entwickeln. Die Kombination aus mittelgroßen Ketten und kleinen Läden, hier die Ansiedlung von dm oder Ernsting’s family mitten in der Stadt, ist für die kleineren Läden vorteilhaft. Etwas wie Stadtflair kommt gegenüber dem Rathaus am Whiskyladen auf. Mit dem vollkommen überdimensionierten Marstall-Center würde diese hoffnungsvolle Entwicklung schlagartig beendet werden.
Art und Maß der baulichen Nutzung stehen bei dem gezeigten Schaubild im starken Widerspruch zur umgebenden Bebauung.
Der unter Denkmalschutz stehende zweigeschossige, auf Fernwirkung gebaute Marstall, der für diesen Ort prägend ist und schon durch den Abriss der Reithalle beeinträchtigt wurde, würde seine, für diesen Platz wichtige gestalterische Funktion verlieren. Dieses Kleinod gilt es, auch im Zusammenhang mit den Schlössern, zu schützen.
Greiz hat das Glück, ohne Schäden durch den Krieg gekommen zu sein. Nach der Wende sind furchtbare Wunden geschlagen worden, indem man historische Fabrikgebäude abgerissen hat, anstatt mit diesen stadtbildprägenden Gebäuden vernünftige Lösungen zu suchen. Und nun gibt es diese großstädtisch anmutende, austauschbare Planung, wie auch immer es zu ihr gekommen ist, und die Stadt gibt das Tafelsilber, nämlich das Bild einer historisch gewachsenen Stadt auf und glaubt die Zukunft liegt in einem riesigen Konsumtempel mit zusätzlich 60 Wohnungen, der das Stadtbild nachhaltig schädigen wird.
Es wäre sinnvoll, ein maßstabsgetreues Modell mit umliegender Bebauung und Topographie zu erstellen, damit die Masse der neuen Bebauung überhaupt eingeschätzt und beurteilt werden kann. Die im Amtsblatt vorgestellte Bebauungsvariante ist hinsichtlich Baukörper und Fassadengestaltung für eine Stadt wie Greiz mit kleinteiliger historischer Bebauung im Zentrum gänzlich ungeeignet. Von der Beliebigkeit der vorgestellten Architektursymbolik ganz zu schweigen. Zu hinterfragen ist auch die gesamte verkehrstechnische Erschließung, die sehr problematisch erscheint und sicher zu einer massiven Belastung der anliegenden
Wohnbebauung führen wird.
Für die Größe der Bebauung und Bedeutung des Ortes ist ein architektonischer Wettbewerb zwingend erforderlich, der sich neben der möglichen und verträglichen oder angemessenen Baumasse mit einer für die Stadt wichtigen Nutzung für diesen Ort befasst.
Gebraucht werden in Greiz attraktive kleine und mittlere Läden und Gastronomie, die zu einem Stadtbummel mit Verweildauer einladen und kein großstädtischer überdimensionierter Einkaufstempel mit teilweisem fünfgeschossigen Baukörper Der gesamte Entwurf ist darauf angelegt, dass die Nutzer des Centers mit dem PKW ankommen, parken, einkaufen und wieder nach Hause fahren ohne einen Schritt in das eigentliche Stadtzentrum zu gehen.
Eine Bebauung mit betreutem Wohnen einschl. aller erforderlichen behinderten- bzw. altengerechten Anforderungen ließen sich sicherlich innerhalb der großflächigen Abbruchareale z.B. schräg gegenüber dem Kaufland nutzerfreundlicher entwickeln und würden diese Wunden der Stadt vielleicht heilen können.
Die Zukunft der Stadt liegt im Tourismus und nicht im Bau von überdimensionierten und unnötigen, gesichtslosen Einkaufszentren, die das Stadtbild einer historischen liebenswerten Stadt mit vielen attraktiven Denkmalobjekten verschiedener Baustile beschädigen. Auch der Marstall gehört zu den Perlen der ehemaligen Residenzstadt Greiz, der bisher ein Schattendasein führt und durch die geplante Bebauung vollkommen bedeutungslos würde.
Die Bürger der Stadt haben bereits ein große Vielfalt an Supermärkten, was tatsächlich fehlt ist das Individuelle. Das Marstall-Center, das ist sicher, wird das Stadtbild nachhaltig beeinträchtigen, aber nicht zu einer wirklichen Belebung der Innenstadt beitragen.
Wir möchten klar stellen, daß wir keine Gegner moderner Architektur sind, wenn sie sich städtebaulich und gestalterisch auf die sie umgebende Bebauung einläßt und dem genius loci des Ortes gerecht wird. Das gilt auch für das Gelände am Marstall.
Wir würden uns sehr freuen, wenn unser Brief Anlass zu einer offenen und basisdemokratischen Diskussion führen würde.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Weber
Roland Gräfe
Dresden, am 26.10.2020