Nachbetrachtung zum Bürgermeister-Gespräch der Initiative „Stoppt das Marstall-Center Greiz“
Auf Anregung der Initiative trafen sich am Dienstag den 02.03.21 Bürgermeister Alexander Schulze und Bauamtsleiter Bertram Koch mit den Vertretern der Initiative (Rudolf Kuhl, Roland Gräfe und Michael Krause) zur Erörterung der Marstall-Problematik. Das Gespräch verlief respektvoll, wenn auch in der Sache unnachgiebig.
Die Position der Initiative darf mittlerweile als bekannt vorausgesetzt werden, sie gilt ganz klar der Verhinderung dieses Einzelhandelsgroßprojektes. Um so mehr standen Fragen zur Haltung der Stadt und auch des Investors im Fokus.
Um es gleich vorweg zu nehmen; wesentlich neue Erkenntnisse wurden nicht zu Tage gefördert, es gab keinerlei Angebote zu Änderungen am Bauvorhaben. Dies war auch nicht zu erwarten, denn dafür bedarf es eines Mandats durch die Stadträte.
Im Moment, so der Bürgermeister, finde die Auswertung der über 200 Einsprüche aus der frühzeitigen Bürgerbeteiligung und der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange statt. Dieser Prozess könne sich noch mehrere Wochen hinziehen, ehe es nach Abwägung im Stadtrat zur Offenlegung des angepassten Bebauungsplan-Entwurfs kommt. Mit der einmonatigen Auslage sämtlicher Planungsunterlagen sei im Sommer zu rechnen. (Die Initiative hatte am 25.02.21 Einsichtnahme in die Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange beantragt. Wir erhielten die Auskunft, dass noch geprüft werde, ob laut Thüringer Transparenzgesetz ein Anspruch darauf besteht.)
Zum wiederholten Male wurde von Seiten der Stadt die Absicht bekräftigt, die pandemiebedingt ausgefallene Bürgerinformations-Veranstaltung nachzuholen – fragt sich nur wann? Mit Nachdruck wies R.Kuhl darauf hin, dass die Stadtverwaltung es versäumt habe, Personen ohne Internetzugang anderweitig über Details der geplanten Bebauung zu informieren. Man hätte das Amtsblatt, Vogtland TV oder Schaufenster geschlossener Läden nutzen können, um die im Exposé dargestellten Skizzen und wesentlichen Texte zur Erläuterung des Vorhabens zu präsentieren. Amtsleiter Koch äußerte dazu, die Projektvorstellung sei nicht Aufgabe der Stadt, sondern des Investors.
Auf Nachfrage von R.Gräfe hieß es zum Umgang mit dem Denkmal Marstall und Remise; man habe beim Stadtratsbeschluss zur Aufstellung des Bebauungsplanes 2020 keine Kenntnis von dem Thüringer Antrag gehabt, die Residenzkultur des Freistaates unter UNESCO-Weltkulturerbe zu stellen. Auf den Einwurf, dass durch den Tiefbau die Statik des Marstalls beschädigt werden könnte und die Gefahr des Gebäudeabrisses besteht, betonte Herr Koch, das Bauamt habe den Investor bereits ein Jahr zuvor auf mögliche statische Probleme des Denkmals hingewiesen, wenn wenige Meter neben dem alten Marstall in die Tiefe gegraben werde. (siehe dazu auch den Einspruch von Dr. Johannes Hummel)
Amtsleiter Koch erklärte weiter, das zwischen Stadt und Investor stets Transparenz geherrscht habe, und diesem jederzeit zu verstehen gegeben wurde, er agiere auf eigenes Risiko, da das Vorhaben auch scheitern könne. Sollte dies geschehen, entstünden der Stadt keinerlei Kosten. Auch wäre die Stadt keinerlei sonstige Verpflichtungen gegenüber dem Investor eingegangen. Die Frage von M.Krause, ob es sich bei dem Projekt um einen Vorhabenbezogenen Bebauungsplan handelt und es entsprechend einen Vorhaben- und Erschließungsplan geben müsste, konnte nicht abschließend beantwortet werden.
Das in sozialen Medien häufig kursierende Gerücht, beim Marstall-Projekt sei schon alles entschieden, wurde dementiert – im Gegenteil sei noch alles offen. Weiterhin hieß es, das Marstall-Areal inklusive Gebäuden werde erst verkauft, wenn der Bebauungsplan beschlossen ist.
Für Mitbürger, denen die Finanzierung des Vorhabens unklar sei, wurde darauf verwiesen, dass mit dem Investor ein Städtebaulicher Vertrag besteht, durch den die Stadt ihre Planungshoheit abgebe und Investor Wagner sich im Gegenzug zur Übernahme sämtlicher Planungs- und Erstellungskosten verpflichte. Lediglich die verkehrliche Erschließung sei bisher nicht vollständig geklärt, da die betroffenen Straßen in verschiedene Zuständigkeitsbereiche fallen.
Auf unsere grundsätzliche Nachfrage, welche Vorteile das Marstall-Center der Stadt Greiz denn bringe, wurde auf die Standortwünsche und gestiegenen Flächenansprüche der drei Märkte dm, REWE und ALDI verwiesen, und einmal mehr auf das Einzelhandels- und Zentrenkonzept der Stadt. Auch glaube man weiterhin an die positiven Effekte, welche das Center durch die erhöhte Kundenfrequenz angeblich den Händlern der Innenstadt bringen könne. (wohlgemerkt, die meisten Besucher kommen mit privatem PKW !) Bürgermeister Schulze ergänzte dazu, dass pandemiebedingt schon 10 Geschäftsaufgaben in der Innenstadt zu beklagen sind (noch 79 statt der bisher 89 Einzelhändler).
Die Initiative sprach außerdem die Reduzierung der Nahversorgung in den Stadtteilen Pohlitz und Aubachtal an, wenn REWE und ALDI dort Leerstand hinterlassen und das große Problem am Puschkinplatz, wenn der dm-Markt als Magnetgeschäft fehlt. Dazu wurde nicht Stellung genommen und keine Alternativen geboten.
Auf die Frage, ob sich Bürgermeister und Stadt eine offenere Center-Bauweise mit weniger Nutzfläche und Ausrichtung zur Innenstadt vorstellen könnten, wurde nicht eingegangen. Auch der Gedanke, das Marstallgelände einer gänzlich anderen Nutzung zuzuführen, es z.B. kulturell, touristisch oder parkähnlich zu beplanen, wurde unkommentiert zur Kenntnis genommen. Der Bürgermeister informierte lediglich darüber, dass nun erst einmal die Stadtverwaltung für 2 Jahre in das Marstall-Gebäude umzieht. Dieser Zeitraum sei für die Rathaus-Sanierung eingeplant.
Abschließend dankten wir Bürgermeister und Bauamtsleiter für das Gespräch – es sollte nicht das letzte gewesen sein.
Ausblick und Angebot an die Fraktionen des Stadtrates
Uns als Initiative bleibt die Hoffnung, ein Umdenken bei manchem Stadtratsmitglied in Gang zu setzen. Denn Sie sind es, die wir in erster Linie ansprechen, Ihre Einstellung zu diesem Großprojekt zu überprüfen.
Wir machen hiermit ausdrücklich ein Gesprächsangebot an alle Stadträte, in einem noch zu findenden Format (z.B. Vogtlandhalle?), die verschiedenen Probleme des Center-Neubaus zu diskutieren. Dazu wurde uns auch fachliche Kompetenz von dritter Seite angeboten, um etwa städtebauliche, denkmalpflegerische oder ingenieurtechnische Details zu erörtern. Bitte nutzen Sie diese Möglichkeit der umfassenden Information bevor Sie in die Abwägungsphase des Projektes gehen.
Michael Krause und Rudolf Kuhl