Offener Brief an Greizer Stadtrat

Hier eine Reaktion auf die Vorstellung des neuen Entwurfs der Marstallbebauung zur Bürgerversammlung am 18. November 2024 in Greiz (Bebauungsplanverfahren Nr. 62/20-SO „Marstallquartier“). Frau Hannelore Scheffel aus Greiz wandte sich am 24. November 2024 mit einem offenem Brief an die Abgeordneten der Stadt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit großer Besorgnis wende ich mich an Sie, die gewählten Vertreterinnen und Vertreter unserer Stadt. Die weitreichenden Folgen des geplanten Neubaus des Marstallcenters bzw. Marstallquartiers bewegen mich und andere Bürger der Stadt. Ich bin dankbar, dass ein Dialog anlässlich der jüngsten Bürgerversammlung angestoßen wurde, allerdings sollten wir uns nicht allein auf den Vorschlag des möglichen Investors konzentrieren, sondern vielmehr darüber diskutieren, ob dieses Projekt tatsächlich die beste Lösung für unsere Stadt ist.

Das geplante Bauvorhaben mag auf den ersten Blick attraktiv erscheinen: ein modernes Einkaufszentrum im Herzen unserer Stadt verbunden mit etlichen Wohnungen. Doch bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass dieses Projekt vor allem dazu führt, bestehende Geschäfte lediglich innerhalb der Stadt umzuziehen. Bei dem Angebot der Wohnungen ist ebenfalls ‚nur‘ ein Umzug geplant (Aussage von Herrn Obenauf anlässlich der Bürgerversammlung). Solche innerstädtischen Verlagerungen schaffen jedoch keinen Mehrwert. Viel mehr drohen sie, an anderer Stelle Leerstände zu hinterlassen und das Gleichgewicht in der Stadtstruktur zu stören.

Es besteht zudem kein Planungszwang für ein derartiges Großprojekt. Die ursprüngliche Grundstücksstruktur an diesem Standort war geprägt von einer Vielzahl von Grundbuchblättern, die das Gebiet kleinteilig und vielfältig nutzbar machten. Das heutige Konzept eines großen Baukörpers ist ein Relikt aus der späten DDR-Planungsphase. Wir sollten uns kritisch fragen, ob diese Idee – die aus einer ganz anderen Zeit stammt – wirklich den aktuellen und zukünftigen Anforderungen unserer Stadt gerecht wird.

Greiz hat weit mehr Potential, als durch ein großflächiges Einkaufszentrum ausgeschöpft werden könnte. Immerhin steht die Stadt als Ensemble für eine einzigartige kulturelle und architektonische Vielfalt, die so beeindruckend ist, dass ein Antrag auf Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe gestellt wurde. Ein Projekt wie das Marstallcenter könnte jedoch diesen Antrag und die unverwechselbare Identität >Greiz< gefährden. Ein solches Bauwerk fügt sich weder harmonisch in das historische Stadtbild ein, noch trägt es dazu bei, die kulturelle Strahlkraft zu erhöhen.

Für ein Projekt dieser Größenordnung müssen wir uns die grundlegende Frage stellen: Was gewinnt Greiz wirklich? Ein neues Gebäude allein wird keine zusätzlichen Besucher oder Neubürger anziehen, solange das Angebot nicht innovativ und bedarfsgerecht gestaltet wird. Stattdessen könnten wir den Fokus stärker auf die Schaffung von Begegnungsräumen, von Erholungs- und Grünflächen und einem kleinteiligeren Nutzungsmix legen. Solche Maßnahmen könnten die Lebensqualität in der Stadt erhöhen, die kulturelle Bedeutung unterstreichen und die regionale wirtschaftliche Entwicklung fördern.

Bitte bedenken Sie, dass Entscheidungen wie diese nicht nur für die aktuelle Generation, sondern auch für die kommenden Jahrzehnte prägend sein werden. Wir sollten die Einzigartigkeit von Greiz bewahren und zukunftsorientierte, nachhaltige Projekte anstoßen – keine kurzsichtigen Maßnahmen, die mehr Probleme schaffen, als sie lösen.

Ich appelliere an Sie, die Planungen zum Marstallcenter zu überdenken und alternative Ansätze zu prüfen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass Charakter und Potential unserer Stadt Greiz erhalten und gestärkt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Hannelore Scheffel